Details zur 2. Tagung der ÖGPAM 2014

Claudia Brechtelsbauer und Carmen Gratl
„Störfaktoren“ in der professionellen Beziehung – Gefühle und Atmosphären im Arzt-Patient-Gespräch
Ärzte und Ärztinnen erleben in Ihrer täglichen Praxis immer wieder frustrierende Gesprächssituationen. Sei es weil die Patienten und Patientinnen „nicht einsichtig“ und damit „nicht compliant“ sind, scheinbar nicht zuhören, die gleichen Fragen immer wieder stellen, mit der Therapie nicht einverstanden sind, immer wieder abschweifen, ihre Beschwerden nicht auf den Punkt bringen können, vom hundertsten ins tausendste kommen und vieles mehr. Ärger und Frust entstehen auf beiden Seiten – die Beziehung ist gestört, die Arbeit gestaltet sich mühsam und oft wenig erfolgreich.
Im genauen Hinschauen und Hinhören auf das was dahinter liegt, eröffnet sich aber auch die Möglichkeit den Patienten in seiner Wirklichkeit wahrzunehmen und gemeinsam einen Behandlungskonsens zu entwickeln .Der Schlüssel liegt oft im achtsamen Wahrnehmen von auftauchenden Atmosphären und Gefühlen und darin diese in Worte zu fassen. Den Blick dafür zu schulen und so psychosomatisches Denken und Handeln zu einem selbstverständlichen  Bestandteil im ärztlichen Alltag zu machen, will dieser Vortrag versuchen.

Helmut Milz, Marquartstein (D)
Gemischte Gefühle 
„Bei Allem, was ein Mensch sichtbar werden lässt, kann man fragen, was soll es verbergen? Wovon soll es den Blick ablenken? Welches Vorurteil soll es erregen?“ (F. Nietzsche)
Gefühle einzuschätzen und zu verstehen braucht mehr als eingängige Schemata der Emotionsforschung oder pragmatische, diagnostische Leitfäden. Einfühlungsvermögen (Empathie, im Unterschied zu Mitleid, Sympathie) erfordert, dass wir möglichst wach, gegenwärtig, aufmerksam, gelassen und interessiert sind. Wir beachten, oft unbemerkt, periphere Wahrnehmungen, unerwartete Bauchgefühle und Bewegungsimpulse und prüfen deren mögliche Bedeutung. Die subtile Entschlüsselung von Gemütsbewegungen ist eine permanente Herausforderung der Heilkunst, inmitten von technologisch geprägter Heilkunde.


Edmund Piskernik
Mit Paaren reden
Mehr noch als in vergangenen Jahrhunderten erhoffen sich in der Gegenwart viele Menschen von einer gelingenden Liebesbeziehung  Glück, Sinn, Zufriedenheit und Erfüllung  im Leben, oder  - zumindest – die Kompensation von Mühe und Frustration des Alltags.
Hohe Scheidungsraten, einsame Singles, viele, offiziell noch verbundene Paare, die sich enttäuscht, wütend, gleichgültig oder resigniert voneinander entfernt und entfremdet haben, zeugen von der Schwierigkeit, glücksverheißende Träume in die Realität umzusetzen.
ÄrztInnen, deren Blickwinkel über reine Somatik und Biomechanik hinausreicht, ist durchaus bewusst, dass chronische Störungen, Konflikte, Krisen und Abbrüche von Paarbeziehungen relevante pathogene Wirkungen entfalten. 
HausärztInnen sind oft die Ersten und manchmal auch die Einzigen im System potentieller HelferInnen, die gravierende Partnerschaftsprobleme mitbekommen und die als Vertrauenspersonen direkt oder indirekt um Hilfestellung ersucht werden.
Ausgehend von den Erfahrungen und Bedürfnissen der TeilnehmerInnen soll  der Workshop mehr Klarheit bezüglich der Frage „Ignorieren, Überweisen, Intervenieren (und wenn ja, wie)“ bringen und vielleicht auch anregen und ermutigen, sich dem  spannenden Gebiet der Arbeit mit Paaren (verstärkt) zuzuwenden.

Barbara Hasiba
Damit nicht Angst und Panik herrschen.
Die Angst sucht das Gesicherte, das Geprüfte und Beständige.
Angst ist demnach 
-- ein Lösungsversuch, wo gedanklich bereits ein Weiterentwicklungsschritt im Leben
 ansteht, Kierkegaard spricht daher von der Angst als dem Aufblitzen der Möglichkeit – einer
 Veränderung –, die ein furchtbarer Zauber sein könne.
-- sie wirkt beziehungsgestaltend, 
-- da Angst unter bestimmten Bedingungen erlernt wird, kann sie auch wieder verlernt werden.
Die Geschichten und Symptome , die uns angstvoll erzählt werden und das  jeweilige Handeln danach, gestalten auch die Arzt- Patient- Beziehung mit.
Neben Grundlagenwissen und dem Verständnis von Dynamiken können unsere klärenden Fragen, wer oder was beteiligt ist und  was  als Lösungsversuch verstanden werden kann dazu beitragen,  vermiedene Sinneskanäle zu nützen, und den Focus vom Inhalt um die Melodie erweitern.
Metaphern aus der Musik können für Patienten hilfreich sein,   um Kommunikation und Erlebnisaspekt zu verknüpfen.  Fall – und Tonbeispiele können dies hörbar erlebbar machen und damit hilfreich für den Praxisalltag sein.

Helmut Milz
Gemischte Gefühle – praktische Vertiefungen
Patienten erleben wiederkehrende, unverarbeitete Ängste z.B. nach erfolgreich stattgehabten Operationen oder in der Folge von schlecht kommunizierten Untersuchungsdaten. Solche Ängste, welche sich häufig in körperlichen Symptomen verbergen,  zu erkennen ist eine wichtige Aufgabe in der Allgemeinmedizin. Mit Hilfe von Kasuistiken werden dazu im Workshop Lösungsmöglichkeit geprüft.

Herbert Bachler
Beziehung - Konflikt - Struktur; OPD-Diagnostik in der hausärztlichen Tätigkeit
Als HausärztInnen verfügen wir über einen einzigartigen Schatz an erzähltem Erleben und Bewältigungsstrategien unserer PatientInnen. Ihre Affekte.Emotionen.Reaktionen teilen sie uns durch ihre Geschichten mit; wir bekommen so einen breiten Überblick über das Normale und deren Variationsvielfalt. Damit können wir in unserem hausärztlichen Setting nicht nur schnell die Dynamiken unserer PatientInnen erfassen, sondern ihnen den reichen Erfahrungsschatz wieder für die weitere Entwicklung zur Verfügung stellen.
Eine hilfreiche Herangehensweise dafür ist das OPD2 (Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik). Wir wollen uns dem Thema Affekte.Emotionen.Reaktionen mit Hilfe von Achse 2 – Beziehung, Achse 3 – Konflikt und Achse 4 – Struktur annähern.

Susanne Felgel-Farnholz
“I‘ve done too much for too many for too long with too little regard for myself“
Die Ausübung unseres schwierigen und potentiell überfordernden Berufes erfordert Fähigkeiten, die weit über das gängige medizinische Lehrbuchwissen hinausgehen.
Das Erkennen der eigenen Grenzen, die Beschäftigung mit den eigenen Ressourcen und Fähigkeiten, sowie das Verstehen der eigenen Fehler sind unabdingbare Voraussetzungen für gute ärztliche Arbeit. 
In dem Workshop werden wir mit vielen Übungsbeispielen den Fragen nachgehen, ob und wie es möglich ist, sich Freude und Gesundheit in unserem anspruchsvollen Beruf auch unter schwierigen Rahmenbedingungen zu erhalten, sowie auch individuelle Handlungsspielräume inmitten des oft stark fremdbestimmten Berufsalltags, wie persönlicher Einsatz und angemessene Grenzziehung gut zu balancieren sind.

Claudia Brechtelsbauer
WWSZ und NURSE
Wie können ÄrztInnen und PatientInnen erfolgreich miteinander kommunizieren  und wie ist dies in der oft knapp bemessenen Zeit möglich?
WWSZ (Warten, Wiederholen, Spiegeln, Zusammenfassen) und NURSE (Naming, Understanding, Respecting, Supporting, Exploring) sind von Experten entwickelte Techniken um diese Ziele zu erreichen. Der Workshop bietet die Gelegenheit diese einfachen Tools zu erlernen und praktisch einzuüben.

Referentenliste:

Herbert Bachler, Dr. med. univ.: Arzt für Allgemeinmedizin in Innsbruck, Psychotherapeut, Psychoanalytiker, Analytischer Gruppenpsychotherapeut, Supervisor & Organisationsberater, Univ. Lektor Med. Uni Innsbruck, Lehrauftrag an der PHI, Präsident der TGAM, 2. Vizepräsident der ÖGPAM

Claudia Brechtelsbauer

Susanne Felgel-Farnholz, Dr. med., geb. 1962 in Linz, Medizinstudium in Innsbruck, verheiratet, 2 Kinder. Wahlärztin für Allgemeinmedizin in Ebensee, OÖ und Ärztin für psychosomatische + psychotherapeutische Medizin (Systemische Familientherapie). Leiterin des Referates für psychosoziale, psychosomatische und psychotherapeutische Medizin der ÄK für OÖ.

Carmen Gratl

Barbara Hasiba, Dr.in med. univ.: Ärztin für Allgemeinmedizin in Birkfeld, Psychotherapeutin (syst. Familientherapie), Balintgruppenleiterin, Lehrbeauftragte und Mitglied der Arbeitsgruppe Allgemeinmedizin an der Medizinischen Universität Graz(AGAM),  Leiterin des Curriculums Systemische Therapie – PSY III Graz (WGPPM)
 Lehrbeauftragte und Lehrsupervisorin für systemische Therapie (ÖÄS), 1. Vizepräsidentin der ÖGPAM

Helmut Milz, Prof. Dr. med., Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Facharzt für Allgemeinmedizin; seit 1994 Praxis in Marquartstein, Bayern;  seit 2000 Honorarprofessor am FB Gesundheitswissenschaften der Universität Bremen; Studien mit verschiedenen PionierInnen von Körper- und Leibtherapien; Lehrtherapeut und Supervisor und systemische Therapie; Autor u.a. von „Ganzheitliche Medizin“ (1985) und „Der wiederentdeckte Körper“ (1992); Mitbegründer und langjähriger Gruppenleiter von „Leib oder Leben“, Integratives Seminar für Psychotherapie, Bad Gleichenberg, et al.

Bernhard Panhofer, Dr. med. univ.: seit 1983 niedergelassener Allgemeinmediziner in Ungenach (OÖ), universitäre Lehrpraxis, seit 1992 Diplom für Psychotherapeutische Medizin, seit 2012 Balintgruppenleiter, seit 2013 Lehrtherapeut der ÖÄK, seit 2010 Präsidiumsmitglied der ÖGAM, seit 2013 Präsident der ÖGPAM, Lehrtherapeut der ÖÄK

Edmund Piskernik, Dr. med., MSc, Arzt für Allgemeinmedizin, Psychotherapeut (Integrative Gestalttherapie, Integrative Therapie), Supervisor & Coach (ÖVS), Balintgruppenleiter (Österreichische Balintgesellschaft). 1954 in Innsbruck geboren, seit 1983 als Arzt für Allgemeinmedizin in Albrechtsberg an der Großen Krems niedergelassen. Balintgruppenleiter (Donauuniversität Krems, ÖBG)

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